SUNSHINE IN, KAKKIPOEFFIES OUT
Artworks
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Boo (2013) oder 20 attempts to sculpt a perfect ass from play dough in under six minutes (2013) sind Worte die Murray Gaylard für seine erfrischend konservierend, verrückt entrückten und ziemlich unziemlichen Arbeiten findet, in denen er mit großer Leidenschaft seltsame Individuen und kleine Weisheiten höchst malerisch in Zeichnungen, Collagen und Assemblagen aufeinander treffen lässt. In ihnen thematisiert er „Menschlichkeitssachen“– so formuliert er selbst das treffende und suchende Wort für die vereinende Strategie seiner unendlich variationsreichen Arbeiten.
Strategies for going unnoticed in public part 1: man in a striped suit in front of a striped wall (2013) offenbart eine der so typischen Murray Gaylard Taktiken: zu sehen ist, sind wir einmal ehrlich, nicht viel mehr, als eine farblich wunderbare Abfolge waagerechter Streifen, am unteren Bildrand unterbrochen durch eine schmale Fläche senkrechter Streifen mit einem kleinen Punkt – das Bild passiert im Kopf, kaum haben wir den Titel gelesen. Blitzschnell streifen wir die Identität des unbekannten Protagonisten über, um genau wie er nur ja nicht in der Öffentlichkeit aufzufallen, oder wir bekennen uns der selbst schon zu oft praktizierten versteckten Strategie der Angleichung an die Masse und lachen lange laut über uns selbst!
Auf der Suche nach derselben Wahrheit werden wir unter anderem mit The truth about cupboards (2013) konfrontiert, innerhalb der zweigeteilten Zeichnung widerlegt die rechte (Hirn-)Hälfte die auf der linken Bildseite implizierte Ordnung – ausgehend von diesem im Menschen tief verankerten Dualitätsprinzip „löst“ Murray Gaylard genau dieses sprichwörtlich in My better half (2013) auf. Hier offenbart und kommentiert er, wie es in der geschützten Realität aussieht: Hi everyone. I'd like you to meet my better half Harry. Say hi Harry. Hi. Der in präziser Ornamentik angelegte Farbverlauf erfährt eine waagerechte, geradlinige Trennung, nur durch den Gesprächskreis verbunden, und löst sich in einem wässrigen Hauch einer Ahnung – doch nicht nur das herrschende Muster löst sich auf, viel wichtiger: es findet sich keinerlei Hinweis, welches nun die erwähnte bessere Hälfte tatsächlich sei, so dass die runden betrachtenden Augen in den runden Schädeln als perpetuum mobile zwischen beiden Hälften kreisen: Wären da nicht die Teletubbies gewesen, mit ihrem wissenschaftlich nachgewiesenen schlechtem Einfluss auf das Denken der Generation der 90er Jahre: Bad influence (2013).
Ob es nun deren „schlechter“ Einfluss unter anderem auf die Sprachentwicklung ist oder nicht, viele Arbeiten des 1974 in Südafrika geborenen Künstlers spielen höchst ironisch auf das Party Milieu an: The 3D experience (2013), The Lovebirds (2013), The disco schlampe (lights on) (2013), The Peepers (2013), The party pooper (caramel) (2013) und auch Definitely the last supper (2013): differenziert offenbart werden höchst peinliche Momente der menschlichen Speziesbeim Zwischenmenschlichen – oder auch ein auf wenige Zeichen reduzierter Knigge für die Online Generation bereitgestellt: This is how I feel: emotional guidance chart for an online generation (part 1+ 2) (2012).
Konzeptionell und scheinbar seriös arbeitet Murray Gaylard bei den Berichten seiner berufliche Anerkennung als Künstler – atemberaubend das Selbstbewusstsein dieses Künstlers mit dem er seine (selbstveranlassten) Platzierungen auf denen von ihm mit Korrekturweiß übermalten Seiten der wichtigsten Kunstmagazinen: Artforum, Flash Art, Frieze, .... vollzieht. Auf den geweißten Magazinseiten antwortet er eloquent in ausführlichen Interviews und seine weltweit operierenden Galerien schalten selbstverständlich Anzeigen anlässlich seiner jüngsten Ausstellungen in ihrem Haus. Seine Arbeiten werden in Form von Originalen bildnerisch in den Magazinen vorgestellt und so ist es folgerichtig, wenn er seiner Mutter regelmäßig und stolz in seiner Serie der überarbeiteten Kunstmagazine, mit der er bereits 2008 begann, von den Fortschritten seiner erfolgreichen künstlerischen Laufbahn phantasievoll sowie durch und durch „selbstgemacht“ berichtet: Look mom I’m at Hauser and Wirth 4 (2013), Look mom I’m at the Deutsche Guggenheim (2013), Look mom I’m Larry Clarke (2013). Unterstützt wird der noch fiktive Karriereweg durch Strategies for a life of success and happiness, einer 2010 begonnen Serie auf Quanten Prinzipien basierenden Selbstverwirklichungstheorie, durch das omnipräsente Platzieren von Notizen („Post-Its“, kleine hellgelbe, selbstklebende Notizzettelchen, die an den unmöglichsten Orten ermöglichen, dass genau das nicht vergessen wird). Somit werden durch eigene Notate von Zukunftsträumen positive Veränderungen im Leben herbeigeführt, Murray Gaylard verrät im Titel seiner ersten Einzelausstellung in der Galerie Philipp Pflug Contemporary sein ganz persönliches Mantra: sunshine in, kakkipoeffies out.
„Silly“ Zeichnungen sind sie, von ungeheurer Leidenschaft und Tiefe, reale unglaubliche Texte, manchmal ein wenig zu tragisch, um schließlich bald wieder entwaffnend ehrlich bereits auf den ersten Blick zu offenbaren, mit welcher ansteckenden Freude, sie im spielerischen Experiment entstanden. Sind sie zum Teil in Gießharz als Assemblage „haltbar“ gemacht oder, wie ein ganz anderer Teil, selbst zur gerasterten Collage geworden, die in erschreckender Präzision und Ausdauer eines Kontrollfreaks, dessen Aufgabe es nur sein kann, nicht zu vergessen (post-it!) im System „Menschlichkeitssachen“ eine nahezu manische Ordnung und Übersicht verwirklichen - genau diesen Erfolg des Verstehens der Ordnung wünscht sich Murray Gaylard nicht: „Ich hoffe das klappt nie.“
Elke Gruhn M.A.
Künstlerische Leitung, Kuratorin Nassauischer Kunstverein Wiesbaden
Boo (2013) or 20 attempts to sculpt a perfect ass from play dough in under six minutes (2013) are words by Murray Gaylard for his refreshingly conserved, insanely ecstatic and proper improper works, in which he passionately has strange individuals and small wisdoms meet most picturesquely in drawings, collages, and assemblages. In them he addresses "Menschlichkeitssachen" (humanitythings) as he himself puts the apt and found word for the unifying strategy of his infinite rich variety of work.
Whether it's their 'bad' influence, among other things, on language development or not, many works of the artist, born 1974 in South Africa, are highly ironic towards the Party Milieu: The 3D experience (2013), The Lovebirds (2013), The disco slut (lights on) (2013), The Peepers (2013), The Party Pooper (caramel) (2013), and also Definitely the Last Supper (2013), he differentiates obvious highly embarassing moments of the human species during their interpersonal relationships - or to a few signs of reduced etiquette provided for the online generation: This is how I feel: emotional guidance chart for an online generation (part 1+ 2) (2012).
"Silly" drawings they are, of tremendous passion and depth, real incredible texts, sometimes a bit too tragic to finally return disarmingly honest to reveal at first glance, with which infectious joy they originated as a playful experiment. Are they in part made out of casting-resin as an Assemblage "preserved" or, as a completely different part, having become a gridded collage, with the frightening precision and endurance of a control freak, whose task it can only be, just not to forget (post-it) in the system " humanitythings" realizing an almost manic arrangement and outline - precisely this success of understanding the order MG does not wish: "I hope it never works."
Elke Gruhn M.A.
Artistic director, curator
Nassauischer Kunstverein Wiesbaden