Double
Artworks
Information
English version below
Sandra Kranich ist eine ausgebildete Pyrotechnikerin. Seit den späten 90er Jahren nutzt sie Feuer als Ausgangsstoff für ihre Installationen, Skulpturen und Bilder. Kranich interessiert sich für die Transformation, die Gefahr und das Risiko, die mit dem Versuch, Feuer zu kontrollieren, verbunden sind. Sie unterzieht das Feuer einer programmierten Choreografie, welche den Zufall als wichtiges Element mit einbezieht. So wird Schwarzpulver zum Mitgestalter ihrer die Grenzen von institutionellen Gepflogenheiten sprengenden Arbeiten. Ihr Werk bietet eine kritische Sicht auf eine Gesellschaft, die auf einer Logik der Kontrolle und Stabilität aufbaut und ihr Äußerstes tut, Macht zu erhalten und Unordnung, Zufall oder Zweifel einzudämmen.
Die Orte, an denen ihre Kunstwerke gezeigt werden, spielen ebenfalls eine wichtige Rolle für Kranich. Indem sie ihnen Beachtung schenkt, lässt die Künstlerin weitere Interpretationsebenen entstehen – wie beispielsweise in Bag Bang (2014), einer Arbeit, bei der Feuerwerkskörper in einer Handtasche explodieren. Je nachdem, wo das Werk gezeigt wird, wirkt es mehr oder weniger provokativ: in einer Frankfurter Bank, einer Kunstmesse oder sogar an einem öffentlichen Platz könnte es Assoziationen von terroristischen Anschlägen hervorrufen.
Die Arbeit Moment Monuments (2011) knüpft an die philosophische Interpretation der Auffassung von Denkmälern an, welche zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt wurde. Damals fing man an, diese von einer modernen Perspektive her zu untersuchen und ihre politischen, sozialen und kulturellen Auswirkungen in Betracht zu ziehen. Die Künstlerin erschafft vergängliche, flüchtige, witzige und extrovertierte Monumente, die Bilder heraufbeschwören: beispielsweise von Raketen, die ins Weltall geschossen werden. Somit gestaltet sie die Ikonen einer imperialistischen Logik neu. In ihren Werken denkt Kranich über die Idee des Spektakels nach: sowohl als etwas, das als Unterhaltung konsumiert wird (Bag Bang) als auch als Darstellung von Geschichte (Moment Monuments). Die ungewöhnlichen Momente, die durch die Folgen des Abbrennens der Feuerwerke entstehen, die Schmauchspuren, Überbleibsel und Reste, bewirken, dass im Werk von Sandra Kranich eine konstante Melancholie mitschwingt.
Für das 32. Bienal de São Paulo hat die Künstlerin zwei Bilderserien produziert. Die erste, R. Relief 7,8,9,10 (2016), besteht aus dynamischen, bunten, geometrischen Kompositionen aus Stahl, die dem Einfluss des Schießpulvers ausgesetzt werden. In der zweiten Serie, Times Wire (2016), bilden elektrische Kabel, die in Strukturen 'verstrickt' sind, Formen, die ebenfalls Explosionen unterzogen werden.
Kranichs Feuerwerkarbeiten sind Spektakel, die nur wenige Minuten andauern; dennoch bleiben sie in der Erinnerung der Zuschauer und der verkohlten, transformierten Materie bestehen. In manchen Fällen werden die Konstruktionen auf denen die Werke aufbauen durch die Explosionen komplett deformiert oder zerstört. Durch ihre aussergewöhnliche Fähigkeit, unsere zeitliche Wahrnehmung in ein klares „Vorher-Währenddessen-Nachher“ (des Abbrennens) aufzuteilen, stellen die Feuerwerksspektakel Ausnahmemomente dar. Doch obwohl dies klar abgegrenzte Momente sind, vermeidet Kranich es, eine Hierarchie zwischen diesen Momenten herzustellen. Dennoch verweist sie wiederholt auf Veränderung als wirkungsmächtiges und schönes Charakteristikum. Ihre Arbeiten sind Rituale die den Moment zelebrieren; sie verwischen die Grenzen zwischen Entstehung und Zerstörung, Konstruktion und Destruktion.
Bruno Mendonça
Sandra Kranich is a trained pyro-technician. Since the end of the 1990s, she has used fire as the raw material for her installations, sculptures and images. Kranich is interested in the transformation, danger and risk involved in trying to control fire, which she subjects to a programmed choreography that incorporated chance as a crucial element. Gunpowder is her co-creator, taking institutional conventions to the limit. Her work is a critical view on a society constructed from the logic of control and stability, which does the utmost to gain power and contain disorder, chance or doubt.
Paying particular attention to the space where her artworks are exhibited, Kranich creates strong images that provide different interpretational layers, such as in Bag Bang (2014), consisting of fireworks erupting from inside a handbag. The degree of provocativeness varies depending on where the piece is presented, for instance, in a bank in Frankfurt or an art fair or even in a public space, where it could be perceived as an act of terrorism.
The work Moment Monuments (2011) is linked to the philosophical interpretation of the notion of monument that evolved at the start of the 20th century, when it began to be studied from a modern perspective to include political, social and cultural impacts. The artist’s ephemeral, fleeting, jocular and extroverted monuments evoke images such as rockets launched into space – to configure icons of the imperialist rationale. Furthermore, she also reflects on the idea of spectacle, both as something to be consumed as entertainment (Bag Bang) or as represented history (Moment Monuments). In this way, Kranich’s oeuvre incorporates a constant melancholy, resulting from the unusual circumstances of the fire display’s aftermath, with its vestiges, remains and traces.
For the 32nd Bienal de São Paulo, the artist produced two painting series. The first, R. Relief 7,8,9,10 (2016) are vibrantly colourful geometrical compositions made of steel that will be exposed to the impact of gunpowder. The second series, Times Wire (2016), is a sort of knitted structure of electric cables that form a shape and lead to an explosion.
Her fireworks are spectacles that last only a few minutes but remain in the viewer’s memory and linger in the charred and transformed matter. In some cases, the constructions forming the basic of the explosions are completely deformed or destroyed. The firework displays are moments of exception given their extraordinary ability to divide our temporal perception into a clear ‘before-during-after’ (the burning). Even though these are distinct moments, Kranich avoids any hierarchy between them. Nonetheless, she repeatedly refers to change as a potent and beautiful feature. Her pieces are exercises that celebrate the moment, blurring the frontiers between creation and destruction, construction and deconstruction.
Bruno Mendonça